Nov. 2020 | Identity & Fraud | Fraud

Durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie, steigt das Betrugsrisiko und oftmals bleibt der Händler auf den Kosten sitzen. Eine Prüfung aller Stellschrauben ist wichtiger denn je für Onlinehändler, um sich bestmöglich gegen Betrug zu wappnen – während als auch nach der Coronakrise.

Verfasst von Till Karsten, Expert Legal Counsel Experian DACH

Zur Eindämmung der Corona-Pandemie sind eine Vielzahl von Kontaktbeschränkungen in Kraft getreten und etliche unternehmerische Abläufe mussten angepasst werden. Auch die Auslieferung von Paketen muss zum Schutz der Verbraucher und Zusteller kontaktlos geschehen. Doch diese neue Art der Lieferung erhöht das Betrugs- und Haftungsrisiko für Onlinehändler.

Unterschrift durch den Sendungsempfänger bei Annahme eines Pakets – so sah ein Lieferprozess bislang standardmäßig aus. Derzeit ist es jedoch aufgrund des Coronavirus unverzichtbar, dass Paketbote und Verbraucher möglichst wenig Kontakt haben. Infolgedessen wird bei der Übergabe einer Sendung meist auf die Unterschrift des Empfängers verzichtet. Dies ist eine sinnvolle Vorgehensweise, um die Gesundheit beider Personen zu schützen. Sie birgt jedoch auch ein hohes Betrugspotenzial. Der Grund: Da die Annahmebestätigung ausgesetzt wird und keine Verifikation der Personendaten stattfindet, wächst der Spielraum für Lieferbetrug.

Versandrisiko liegt beim Onlinehändler

Bei Lieferbetrug unterscheidet man zwischen zwei Arten: Bei der ersten handelt es sich um Identitätsdiebstahl. Hier versucht ein Betrüger über Kanäle wie Malware, Fake-Websites, E-Mails oder Kurznachrichten an persönliche Nutzerdaten zu gelangen. Mit diesen bestellt er zum Beispiel Waren auf Rechnung und lässt sie sich an eine abweichende Lieferadresse senden, ohne die Absicht zu haben, für die Artikel aufzukommen. Bei der zweiten Variante handelt es sich um sogenannten Friendly Fraud. Bei diesem hat der Verbraucher selbst nicht vor, bestellte Güter zu bezahlen und behauptet, dass diese nie bei ihm angekommen sind. Der Verzicht auf eine Unterschrift macht beide Methoden einfacher. Folglich stellt sich die berechtigte Frage: Wer haftet im Fall von Lieferbetrug in der jetzigen Lage? Das Versandrisiko tragen generell immer die Onlinehändler gegenüber ihren Kunden. Denn es kann schon mal vorkommen, dass Pakete auf dem Weg zum Käufer abhandenkommen – sei es durch falsche Adressdaten, Fehler bei der Zustellung oder Diebstahl.

Oft bleibt Händler auf den Kosten sitzen

Das Problem: Derzeit ist es schwerer denn je zu unterscheiden, ob Postversagen oder ein Betrugsfall der Grund für den Verlust von Waren ist. Leider ist die Haftung auch nicht eindeutig geklärt, da das neue Verfahren der kontaktlosen Lieferung kurzfristig zum Schutz der Gesundheit der Paketzusteller beschlossen wurde, ohne dass E-Commerce-Unternehmen ein Mitspracherecht hatten. Klar ist: Der Verbraucher haftet nicht, wenn er glaubhaft nachweisen kann, dass er eine Ware nicht erhalten hat. Das kann beispielsweise mit Hilfe von Ausweisdokumenten geschehen, die einen zur Lieferadresse abweichenden Wohnort beweisen, oder in letzter Instanz mit einer eidesstattlichen Erklärung. Die Zusteller wiederum können höhere Gewalt als Argument für den Ausschluss einer Haftung geltend machen. Die Umstände höherer Gewalt hat die DHL beispielsweise in ihren AGBs unter § 6 Abs. 2 geregelt. Die Zusteller haben die kontaktlose Lieferung schließlich aufgrund der Beschlüsse der Weltgesundheitsorganisation, der Bundesregierung und der jeweiligen Landesregierungen als Maßnahme zur Eindämmung des Coronavirus eingeführt und schützen damit Kunden als auch Mitarbeiter zugleich. Für Onlinehändler ist es hingegen schwer in einem möglichen Zivilprozess vor Gericht nach § 287 ZPO zu belegen, dass ein Paket wirklich bei einem Verbraucher angekommen ist. Wenn sich Zusteller als auch Konsument also entlasten können, bleibt der Händler meist auf den Kosten sitzen. Und zwar im vollen Umfang: von Warenwert, Verpackungskosten über Porto, Lagerkosten, Aufwänden für die Nachverfolgung bis hin zu den internen Personalaufwendungen.

Schwachstellen erkennen und vermeiden

Sich als Händler derzeit vor Betrug zu schützen, ist herausfordernd, da es sich um eine völlig neue Situation handelt und folglich keine Vergleichswerte vorliegen. Von einigen E-Commerce-Unternehmen habe ich gehört, dass sich Zusteller und Unternehmen die Kosten des Ausfalls derzeit aufteilen. Ich persönlich empfinde das als adäquate Lösung, eben weil wir uns in einer nie dagewesenen Lage befinden. Einige der Zulieferer versuchen derzeit auch den Prozess sicherer zu machen, indem sie den Empfänger mit einem eigenen Stift auf dem Sendungsetikett unterschreiben lassen und dieses danach abfotografieren. Trotzdem sollten Onlinehändler sich nicht auf die Kulanz der Zusteller verlassen, da zum Teil noch immer ganz auf die Unterschrift verzichtet wird und dies Umsatzeinbußen für Händler mit sich bringen kann. Folglich sollten Händler mehr Wert denn je auf Betrugsprävention legen. Eine eindeutige Empfehlung, welche Lösungen hilfreich sind, ist in der derzeitigen Sachlage nicht pauschal möglich. Deswegen ist es umso wichtiger, ein ganzheitliches Bild der potenziellen Schwachstellen in der Betrugsprävention zu erlangen.

Eine Prüfung aller Stellschrauben ist wichtig für Onlinehändler, um sich bestmöglich gegen Betrug zu wappnen – während als auch nach der Coronakrise.