Krisenzeiten, wie wir sie aktuell erleben, sind Nährboden für notleidende Kredite. Die Bankenaufsicht erhöht nun den Druck auf die Geldinstitute. Sie sollen die Risiken identifizieren und minimieren. Hier sind systematische Hebel gefragt, die dazu beitragen, den Zahlungsverzug oder drohenden Zahlungsausfall rechtzeitig zu erkennen. Höchste Zeit für Kreditgeber, auf effektivere Analyse-Methoden für das Kreditrisiko-Management zu setzen. Denn damit können sie dreifach profitieren: sie sparen Kosten, sprechen gezielt Kunden an und verbessern gleichzeitig die Customer Experience deutlich.
Als hätte Corona die Wirtschaft seit zwei Jahren nicht schon genug gebeutelt, kommt nun eine Güterverknappung hinzu, welche eine historische Inflation nach sich zieht. Schon jetzt leiden die Endverbraucher unter den steigenden Preisen. Und noch dazu steigt in Krisenzeiten die Wahrscheinlichkeit, dass Kreditnehmer ihre Schulden nicht bezahlen können. So weit, so dramatisch. Die EZB ist derweil zuversichtlich. Die Corona-Pandemie habe ihren Zenit überschritten und die Märkte berappeln sich langsam wieder. Zudem sind die Bestände an notleidenden Krediten deutscher Institute seit der Pandemie kaum gestiegen, die NPL-Quote lag 2021 bei 1,2 Prozent.1
Trügt hier der Schein? Unterstützungsmaßnamen wie Schnellkredite, Überbrückungshilfen und Zahlungsmoratorien sind ausgelaufen. Die damit gestützten Unternehmen und privaten Kreditnehmer sind nun gefährdeter denn je, nicht zuletzt angesichts der geopolitischen Lage. Laut einer EY-Umfrage erwarten 80 Prozent der Bankmanager für 2022 einen Anstieg der NPL-Quote.2
Die Bankenaufsicht legt nun höchste Priorität darauf, dass die Kreditinstitute bis 2024 gesund aus der Pandemie hervorgehen. Hierfür sind sie angehalten, ein verstärktes Augenmerk auf die etwaigen oder akuten Kreditrisiken ihrer Kunden zu legen. Denn das Kreditrisiko-Management stellt laut der Behörde eine Schwachstelle dar, die dringend anzugehen sei. Eines der konkret genannten strategischen Ziele soll sein, Kreditrisiken künftig noch frühzeitiger zu identifizieren, vorausschauend zu messen und entsprechend zu mindern.3
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Early Warning System (EWS) - Risiken frühzeitig erkennen & Zahlungsausfälle vermeidenKreditrisiko-Management erreicht neue Komplexität
Das Marktumfeld wird also rauer und es liegt ein regulatorischer Druck auf den Banken. Sie müssen zusehen, dass sie rechtzeitig Informationen über die zu erwartende Verschlechterung der Finanzlage ihrer Kunden erlangen. Doch die hierfür angewendeten Maßnahmen der Banken sind, gelinde gesagt, überholungsbedürftig. Das bisher genutzte Regelwerk ist weitgehend schlicht, es reicht für die vorliegende Datenvielfalt nicht mehr aus. Heute ist mehr denn je eine komplexe Prüfmethodik gefragt, um den Regulator zufrieden zu stellen. Es braucht deshalb flexible Verfahren und Herangehensweisen, die zum Beispiel auch komplexere Verhaltensmuster der Kreditnehmer abbilden können. Warum sich also nicht die Digitalisierung zunutze machen und die vorliegenden Daten sinnvoll einsetzen?
Traditionelle Methoden der Bestandsbewertung gelangen an Ihre Grenzen
Bei den etablierten Methoden des Kreditrisiko-Managements wurden für die Analyse bisher vor allem die hausinternen Bestandsdaten betrachtet. So erhält die Bank sukzessive Informationen über ihre Kunden, etwa über das Zahlungsverhalten, und lernt sie so mit der Zeit besser kennen. Ein Blick auf das Bestandsportfolio hilft, um abzuleiten, ob ein Kunde bald in Zahlungsverzug gerät oder gar ein Zahlungsausfall droht. Doch das kann auf lange Sicht nicht funktionieren. Vor dem Hintergrund des regulatorischen Drucks muss das System einen Schritt weiter gehen. Sowohl welche stets die aktuelle Informationslage abbilden, sowie Methoden im Einklang mit den behördlichen Vorgaben sind vonnöten, um das Risiko zuverlässig in „gering“, „moderat“ oder „hoch“ einschätzen zu können. Zudem werden externe Daten umso wichtiger, wenn Institute aufgrund der Geschäftsstruktur keine aktuellen internen Daten vorliegen haben.
Datenbasiertes Frühwarnsystem entlang des Kundenlebenszyklus
Für ein effektives Kreditrisiko-Management braucht es daher ein datengetriebenes Frühwarnsystem, das Early Warning System (EWS). Dabei wird der gesamte Kundenlebenszyklus betrachtet – vom Kreditantrag bis zur Problemkreditbehandlung. Der Fokus liegt dabei vor allem auf dem Kunden-Management: Verhaltensmuster beobachten, Veränderungen erkennen und rechtzeitig eingreifen, bevor sich die finanzielle Lage des Kunden zu sehr verschlechtert. Sinkt zum Beispiel das Einkommen eines Kreditnehmers schlagartig, ist das ein klassischer Warnhinweis: Jetzt sollte die Bank aktiv werden. Ziel ist es, Kunden zu identifizieren, die mit einer höheren Wahrscheinlichkeit in Zahlungsverzug geraten. Sind sie ausgemacht, kann die Bank geeignete Maßnahmen ergreifen, um die Zahlung zu fördern.
Drei Schlüsselkomponenten für die präzise Risiko-Analyse
Ein ausgereiftes EWS besteht aus drei Schlüsselkomponenten:
- Einsatz von internen und externen Daten sowie makroökonomische Prognosen.
- Einsatz von ML-Modellen zur Verarbeitung verschiedener Datentypen sowie zur Identifikation und Bewertung von Trigger-Ereignissen und Verhaltensmustern.
- Strategien, um Zahlungsrückstände zu vermeiden – etwa für interne Prozesse und Kundenberatung.
In einer EWS-Architektur ist das nahtlose Zusammenspiel der einzelnen Komponenten entscheidend. Diese werden unter Berücksichtigung aktueller aufsichtsrechtlicher Standards entwickelt, zum Beispiel der NPL-Guideline der interne als auch externe Daten, EZB und die LOM-Guideline4 der EBA, sodass die regulatorischen Anforderungen jederzeit erfüllt sind. Dazu zählen etwa die Kreditqualität auf unterschiedlichen Ebenen, regelmäßige Reviews des Rahmenwerks sowie Frühwarnindikatoren beziehungsweise Trigger, die auf Basis quantitativer und qualitativer Risikomerkmale festgelegt werden.
Im EWS sind eine Vielzahl an Trigger definiert, zum Beispiel die Kontoschließung, Konto in Verzug, eine signifikant steigende Limitauslastung oder eine Adressänderung. Mit einem ganzheitlichen Blick auf die individuelle Kundenentwicklung in Kombination mit Portfolioprognosen aus makroökonomischen Daten lassen sich so konkrete Maßnahmen wie die Kontaktaufnahme, Intensivbetreuung oder das Einleiten von Stundungsvereinbarungen ableiten.
Win-Win-Situation mit EWS
Es liegt im Interesse der Bank, die Kreditrisiken ihres Portfolios auch auf Einzelengagement-Ebene rechtzeitig zu erkennen und möglichst frühzeitig zu reagieren. Damit erfüllt sie nicht nur die geforderten Regularien, sondern kann ihrem Kunden proaktiv die Hand reichen. In einer individuellen Kundenansprache zum Beispiel kann der Bankberater Möglichkeiten aufzeigen, wie der Kreditnehmer Zahlungsziele einhalten kann. Das resultiert im Bestfall in einer positiven Customer Experience und fördert nicht zuletzt die Kundenbindung. So profitiert von einem funktionierenden EWS am Ende nicht nur die Bank, sondern vor allem auch der Kunde.
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Early Warning System (EWS) - Risiken frühzeitig erkennen & Zahlungsausfälle vermeiden1 Bundesbank, Juli 2021
2 EY Spotlight März 2022
3 ECB Banking Supervision 2021
4 EBA Guidelines on loan origination and monitoring 2020